• Vorher/ Während/ Nachher
  • HUNDKATZEKIEFER
  • Ich weiß nicht, was ich mir davon erhoffe. Aber ich möchte es gerne fotografisch festhalten lassen, um den Prozess zu sehen, den ich durchleben werde. Eine Freundin hatte mir erzählt, dass es mir selbst gar nicht so stark auffallen wird, weil ich nach der Operation wie vom Laster überfahren und später für mich völlig normal aussehen werde, wenn die Schwellungen zurückgegangen sind. Ich möchte trotzdem sehen, was da überhaupt passiert und welchen Einfluss es auf mein Leben nimmt. Das geht mit richtigen Fotos wohl besser als mit meinen zwanzig Selfies.
  • 13/07/2015
  • WIE SIEHST DU DIE OPERATION?
  • Zur Operation habe ich immer noch ein gespaltenes Verhältnis. Momentan verdränge ich den Gedanken daran hervorragend. Es ist unglaublich schwierig für mich, mich damit zu befassen. Vermutlich tue ich das erst am Abend zuvor, weil ich dann darüber nachdenken muss, dass ich am nächsten Morgen ins Krankenhaus gehe, um mich operieren zu lassen. Ich habe einfach Angst, dass ich mich hinterher nicht mehr im Spiegel wiedererkenne und ob ich mir dann noch gefalle oder nicht. Ich überlege, ob ich mir die erste Zeit nicht wirklich die Spiegel zuhängen werde. Vor ein paar Tagen habe ich eine alte Freundin getroffen, die mir von einer Bekannten erzählt hatte, die sich auch hat operieren lassen und jetzt wie ein ganz neuer Mensch aussieht. Das sind auch so Aussagen, die man unbedingt hören will!
  • WOVOR HAST DU NOCH ANGST?
  • Ich will nicht, dass Daniel sich fragt, wer die Alte eigentlich ist. Ihm habe ich freigestellt, dass wenn er der Meinung ist, dass ich nicht mehr so aussehe wie die Frau, die er liebt, dann soll er sich um himmelswillen nicht in der Verantwortung sehen, bei mir zu bleiben, nur weil wir schon so viel Zeit mtieinander verbracht haben. Ich möchte nicht, dass er mich anguckt und sich fragt, wer die Schrapnelle ist. Andersrum würde ich es auch nicht anders machen und ich kann an ihn keine Erwartungshaltung richten, die ich selber nicht habe.
  • WIE STEHT DEINE FAMILIE ZUR OPERATION?
  • Mit meiner Verwandtschaft habe ich nicht wirklich darüber gesprochen, außer mit meiner Patentante. Meine Familie hat sie nicht mehr alle, wäre wohl die einfachste Erklärung. Wir sind alle tendenziell sehr egoistisch und das nicht unbedingt im positiven Sinne. Die hören sich das keine dreißig Sekunden an und schon sind sie wieder bei ihren eigenen Leiden. Wahrscheinlich bin ich genauso. Meine Mama ist da ein typisches Beispiel für. Sie bezieht das auf sich und gibt sich die Schuld daran, weil sie damals den Kieferorthopäden ausgesucht hatte. Da merke ich dann innerlich, dass ich überhaupt nicht den Drang habe mich mit jemanden darüber zu unterhalten. Hauptsächlich spreche ich mit Kathrin darüber. Sie selber ist Herzchirurgin und kann mir da gut zur Seite stehen.
  • WAS FÜR AUSWIRKUNGEN HAT DIE TERMINVERSCHIEBUNG?
  • Mir stinkt es natürlich tierisch, dass der Termin weiter nach hinten verlegt wurde. Aber was willst du tun, wenn erst die Zähne nicht richtig stehen und du dann gefragt wirst, ob es okay sei, wenn deine Chirurgin mit Ärzte ohne Grenzen unterwegs ist. Dadurch hat sich der Termin nochmal um einen Monat auf Ende September verschoben. Aus der Sicht meiner Volleyballmannschaft liegt der Termin nun günstiger, so kann ich diese Saison noch mitspielen und bin dann auch zum Ende der Winterpause wieder voll einsatzfähig. Aus Examenssicht ist es jedoch eine Totalkatastrophe. Eigentlich muss ich mich bis zum 30. September fürs Examen anmelden, aber es wird auch ausgelost wer wann dran ist. Es könnte also passieren, dass ich Mitte Oktober das Examen schreiben soll, was natürlich unmöglich ist. Vermutlich habe ich aber die Chance, dass ich krankgeschrieben werde und dann verschieben kann bzw. im schlimmsten Fall ein Freisemester beantrage und somit meinen Freischuss behalte. Aber ich hatte das anders geplant und dieser Plan für das Jahr ist nun umgeworfen worden.
  • WIE IST DER UMGANG AUF DEINER ARBEIT?
  • Es wussten viele, dass ich operiert werde und jetzt werde ich ständig gefragt warum ich denn nicht schon operiert wurde. Mich nervt diese Fragerei tierisch. Immer wieder diese gleiche Leier ist einfach mega anstrengend, da ich eigentlich auch gar keine Lust habe den Leuten das zu erklären. Meine Freunde nerven mich nicht damit, das sind eher Kollegen aus anderen Dienstgruppen, die das aufgeschnappt haben und sich indirekt einen Vorteil dadurch erhoffen, weil ich länger ausfalle. Wenn das eben nicht so geheuchelt wäre, dann würde mich das auch nicht so stören. Aber es ist eben ein Unterschied, ob mich mein Chef oder Kollegen aus meiner Dienstgruppe fragen, die sich wirklich für mich interessieren und die mir wünschen, dass alles gut geht oder eben vorgeheucheltes Interesse von Menschen, mit denen ich nichts am Hut habe, die einfach nur ihre Neugier befriedigen wollen. Mich stört es einfach, dass alle davon wissen.
  • HAT DIE OPERATION NEGATIVE AUSWIRKUNGEN AUF DEINEN BERUF?
  • Ich habe mich auf eine neue Stelle bei der Kripo beworben und durch die Verschiebung wird es so sein, dass ich dann am Anfang schon länger ausfallen werde, was für mich jetzt einfach kein so guter Einstieg in einen neuen Job ist. Das möchte ich eben auch nicht direkt in meinem Vorstellungsgespräch erzählen müssen, deswegen vermeide ich es den richtigen Operationstermin zu nennen, außer gegenüber meinem Chef.
  • WIE VERSUCHST DU DICH VON DER OPERATION ABZULENKEN?
  • Ich versuche im Moment viel Zeit mit meiner Nichte zu verbringen. Sie lebt seit ihrem fünften Lebensjahr nicht mehr bei meiner Halbschwester und ich wusste damals auch nicht, dass sie existiert. Den letzten Kontakt zu meiner Halbschwester hatte ich 1992 als unser Papa gestorben ist. Ich habe sie dann 2005 ausfindig gemacht und erfahren, dass sie einen Sohn und eine Tochter hat. Den Sohn habe ich auch sofort kennengelernt. Meine Nichte habe ich dann erst sieben Jahre später kennenlernen dürfen. Seit zwei Jahren kenne ich sie nun und bin so ein bisschen der Mutterersatz für sie, womit ich mich auch wohl fühle. Damals, als Daniel und ich uns über Kinder unterhalten hatten, habe ich von Anfang an gesagt, dass wenn meine Nichte sich entscheiden sollte bei mir leben zu wollen, dann nehme ich sie auf. Sie ist ein wirklich bildhübsches Mädchen! Sie hat mich eigentlich drum gebeten, dass ich das Bild von ihr vom Spiegel abnehme, wo sie mit Brille drauf ist, weil sie sich da selber nicht mag. Seitdem ich sie kenne, hat sie sich sehr gut entwickelt. Letztens war die Jill auch niedlich! Da sagte sie zu mir, dass sie mit ihrer Lehrerin über die Operation gesprochen hat, die hätte das nämlich auch machen lassen und sieht jetzt viel besser aus. Als ich sie dann angeschaut und gefragt habe, ob ich denn jetzt hässlich wäre, meinte sie, dass ich dann noch hübscher wäre!
  • HAST DU DICH MIT ANDEREN PATIENTEN AUSGETAUSCHT?
  • Generell kenne ich nur Leute, die sich den unteren Teil haben richten lassen. Aber klar, ich habe bei der Ärztin Vorher-Nachher-Fotos gesehen, vor allem Extremfälle, bei denen das Kinn schon fast weg war und natürlich sah es nach der Operation besser aus. Aber wie sich der Mensch damit fühlt, das sieht man auf den Fotos nicht. Ich weiß von einer verunfallten Frau, die eine Gesichtsrekonstruktion bekommen hat und danach der Meinung war, sie sehe nicht mehr so aus wie sie und sich dann hat zurückoperieren lassen. Laut meiner Ärztin soll ich hinterher zehn Jahre jünger aussehen.
  • KANNST DU DIR VORSTELLEN, WIE DU DANACH AUSSIEHST?
  • Nicht wirklich, ich habe zwar eine 3D Simulation von mir gesehen, aber die ist nicht wirklich hilfreich gewesen. Das sieht sehr animiert aus und demnach nicht so stark nach mir, es ist mehr so ein Hybridbild. Aber es wird sich einiges in meinem Gesicht tun. Also meine Nase wird ein bisschen stupsiger, meine Lippen werden wieder voller. Momentan liegt meine Unterlippe schon über meiner Oberlippe, weil die Kiefer so weit zurück und meine Zähne so weit nach innen gedreht sind. Meine Oberlippe ist dadurch so schmal, dass sie schon fast gar nicht mehr existent ist.
  • WIE HAST DU DICH MIT DER ZAHNSPANGE ANGEFREUNDET?
  • Wenn das so wird, wie damals mit der Zahnspange, dann werde ich wohl lange brauchen, bis ich mich wieder mit mir selbst anfreunden kann. So war das damals. Ich habe zunächst erst oben die Spange bekommen und war da schon nicht begeistert, aber anfangs war der Draht noch ganz dünn, sodass man ihn auf den ersten Blick nicht gesehen hat. Als ich mich damit langsam anfreunden konnte, habe ich dann unten die Zahnspange bekommen. Da sind jedoch permanent die Dinger rausgebrochen, was wirklich ekelhaft war! Weswegen ich dann meine blauen Pömpels bekommen habe, die nicht abbrechen, aber natürlich tierisch auffallend sind.
  • WAS FÜR EINSCHRÄNKUNGEN HAST DU DURCH DIE ZAHNSPANGE?
  • Ich möchte so richtig gerne einen Apfel essen! In irgendetwas Knackiges beißen, ohne dass gleich zehn Brackets herausbrechen. Ich kann momentan einfach viele Dinge nicht essen. Knackiges nicht, nichts mit Kräutern, kein Spinat. Im Dienst kann ich mir nicht mal schnell etwas zwischen die Zähne schieben, weil ich anschließend wie ein Clown aussehen könnte. Stell dir mal vor, dich lächelt eine Polizistin an, die überall Kräuter oder Schokolade zwischen den Zähnen hängen hat! Ich wurde allein schon wegen der Zahnspange beleidigt, was mich jetzt nicht trifft, aber man denkt halt schon darüber nach, was andere Menschen wohl über einen denken. Das ist einfach ätzend.
  • WAS ERHOFFST DU DIR VON DER OPERATION?
  • Dass ich danach keine Probleme mehr habe, dass ich keine Rückenschmerzen mehr habe, ich wieder richtig schmecke, vernünftig Luft bekomme und endlich nicht mehr schnarche! Da soll die Operation so eine Wunderheilung sein. Ich schlafe manchmal drüben im Gästezimmer, damit der Daniel überhaupt schlafen kann, weil er mich ansonsten mehrfach in der Nacht wecken muss, weil er sonst nicht schlafen kann. Das sind alles so Dinge, weswegen ich mir momentan nicht so gefalle und ich klammere ich mich an den Gedanken, dass die Probleme dann endlich fort sind.